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Auf Hannibals Spuren über die Alpen
Das hätte sich der berühmte karthagische Feldherr sicher nicht
träumen lassen, daß nach 2200 Jahren 20 Schülerinnen und
Schüler der IGH, begleitet von 3 Lehrkräften, in seine
Fußstapfen treten würden!
Damals, im Spätherbst des Jahres 218 v.Chr., hatte der fanatischste und
gefährlichste Feind, den die Römer je hatten, den schwierigen Weg
durch die schneebedeckten und von feindlichen Bergvölkern bewohnten
Alpen gewählt, um in Italien einzumarschieren und die Römer, die
geglaubt hatten, er werde die Küstenstraße entlang der Côte
d' Azur nehmen, zu überrumpeln. Obwohl Hannibal damals mit 38000
Soldaten, 8000 Reitern und 38 Elefanten losgezogen war, haben die
Archäologen keine Spuren davon mehr finden können. Man ist also
ganz auf die Kombination zweier Berichte angewiesen, die der Grieche
Polybios und der Römer Livius in ihren Geschichtswerken hinterlassen
haben. Die Expedition der IGH-Schüler hat sich für den 2450m hohen
Col du Clapier im Mont-Cenis-Gebiet entschieden, der aus der Haute-Vanoise
in Frankreich nach Susa in Italien , 50 km westlich von Turin, führt.
In 6 Marschtagen wollen sie die entscheidende alpine Passage des
Übergangs bewältigen, "by fair means", d.h. ohne
Aufstiegshilfen, nur aus eigener Kraft und getreu dem ökologischen
Gedanken, den Berg so zu verlassen, wie sie ihn angetroffen haben.
Wie kommen heutzutage 20 Zehntklässler dazu, sich einer solchen
Herausforderung und Anstrengung zu stellen? Wie kann man die heute so oft
als bequem abgeschriebene Jugend aus ihren Raucherecken und von ihren
walkmännern fortlocken? Expeditionsleiter STIMPEL, 39, ihr Lateinlehrer
muß lachen: "Es geht nicht darum, den Jugendlichen ihre
Verhaltensweisen abzuerziehen, sie moralisch ins Unrecht zu setzen. Einer,
der sich eine Zigarette oder die Musik 'reinzieht', ist ja damit nicht schon
identifiziert; er hat noch viele andere, meist unentdeckte Seiten, die
darauf warten, angesprochen zu werden. Ich kann gar nicht behaupten, ich
hätte die Schüler motiviert; ich habe bloß mal von meiner
Idee gesprochen, auf Hannibals Spuren die Alpen zu überqueren, aber
dazu brauche man wohl Schüler, die neugierig seien, die gern etwas
wagten, die sich auf Neues, Unbekanntes, Unvorhersehbares einließen;
die aber gebe es wohl heutzutage nicht mehr... Wochen später, vor den
großen Ferien, fragten sie plötzlich: 'Ja, machen wir das dann?'
Und so habe ich die 10, 12 in der wissenschaftlichen Literatur genannten
Pässe mit dem Auto abgefahren und zu Fuß überquert und halte
den Col du Clapier für wahrscheinlich Hannibals Paß, der auch
für Schüler zu schaffen ist."
Ihrer Expedition haben die IGHler das Motto gegeben: NIHIL NOS IMPEDIET -
NOTHING CAN STOP US. I GO HANNIBAL 1989. Und in der Tat gab es viele
Hindernisse zu überwinden: Genehmigungen, Korrespondenzen, vor allem
das Hauptproblem: Geld. Das haben die IGHler auf ungewöhnliche Weise
gelöst, indem sie selbst hergestellte Expeditionspostkarten mit den
Unterschriften aller Teilnehmer aus dem "Basislager" verschicken
und T-Shirts mit einem lustigen Elefanten als Motiv verkaufen. Noch einmal
Expeditionsleiter Stimpel: "Sie sollen vor allem erfahren, was es
heißt, auf eigenen Füßen zu stehen, in jeder Hinsicht, sich
aus eigenen Mitteln und Kräften, in ihrer eigenen Geschwindigkeit
fortzubewegen. Unser gemeinsamer Weg über die Alpen ist genau das, was
heute oft in Therapien als 'ganzheitliches Erlebnis' verkauft wird. Eine
solche Tour entläßt einen verändert. Ich glaube, ich nehme
den Mund nicht zu voll, wenn ich sage: das Gebirge ist ein Spiegel, in den
man blickt, unbestechlich und objektiv. Hier lernt man viel über sich
selbst und für sein Leben."
Nach ausführlicher theoretischer Vorbereitung und praktischem Training
im Gelände fiebern die Schüler jetzt dem Aufbruch entgegen. Am
Montag, dem 25.9., fahren sie mit dem Zug nach Modane in Frankreich. Ihre
Rückkehr ist für Sonntag, den 1.10., geplant. Wir wünschen
ihnen, daß sich ihr Motto "Nihil nos impediet" (Nichts kann
uns aufhalten) als self-fulfilling prophecy erweist. Berg Heil!
Michael Stimpel
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